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Die Verwandlung des Hector Berlioz

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Junger Mann, 25 Jahre, gesund, gute Ausbildung, zwei Fremdsprachen, verkauft Teil seines Lebens zur Sicherung seines restlichen Lebens. Terminabsprache unter u.a. Telefonnummer.
In einem Zug trank Hector seinen Tee aus und griff überschwänglich zum Telefon, um den Verfasser dieser genialen, sein sonntägliches Frühstück versüßenden Anzeige der Sorte »verrichte jegliche Arbeiten« kennen zu lernen.

Alper Canigüz’ Debütroman »Die Verwandlung des Hector Berlioz« ist ein sonderbares Stück Literatur, das sich nicht so leicht in eine der zahlreichen Schubladen der Belletristik stecken lässt. Als psycho-absurd-romantische Komödie bezeichnet der Autor sein eigenes Werk und kitzelt mit dieser Ankündigung bereits die Neugier des geneigten Lesers. Psycho? Absurd? UND romantisch? Ob das gut geht, Herr Canigüz?

Mit einer Zeitungsannonce beginnt die schicksalhafte Begegnung zwischen zwei Menschen, die Canigüz zusammen mit dem Leser in eine surreale Abenteuergeschichte schickt: Hector Berlioz, der Protagonist, der nur zufällig den Namen eines berühmten französischen Komponisten trägt, sucht jemanden, dem er vollends vertrauen kann. Denn zum einen ist das, was er vorhat, gefährlich, ja sogar lebensgefährlich; und zum anderen – vorausgesetzt, sein noch geheimer Plan glückt – winkt ein großer Haufen Geld. Der Unbekannte, der sich hinter der Annonce verbirgt, scheint Hector der geeignete Typ für sein Vorhaben zu sein. Von diesem Punkt aus entwickelt der Autor um das ungleiche Paar Hamit und Hector eine abenteuerliche Gaunergeschichte mit ungewissem Ausgang.

Bei Betreten des Seminarraums musste Professor Olcayto Fişek, seit fünfundzwanzig Jahren Mitglied des Lehrkörpers, feststellen, dass sich seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn nichts geändert hatte: Seine Studenten waren allesamt dämlich.

Diese bleibt für den Professor an diesem Tag nicht die einzige düstere Erkenntnis. Wenig später sucht ihn ein gewisser Şevket Hakan Tunçel mit einem sehr sonderbaren Problem auf. Fişek, der nicht noch einen Idioten in seinem Leben braucht, versucht den Eindringling abzuwimmeln – doch vergeblich, denn Şevket ist hartnäckig, und allmählich beginnt sich auch der Professor für das merkwürdige Leiden seines »Patienten« zu interessieren. Dieser behauptet nichts Geringeres als die Tatsache, dass er, während er schläft, das Leben eines anderen (miter-)lebe. Schläft er ein, so wacht er augenblicklich im Leben dieses anderen Mannes auf. Und dieser Mann ist niemand geringeres als Hector Berlioz!

Der Professor war überzeugt, dass Şevket sein eigenes Ego soweit ausgeschaltet hat, dass er bereit war jede Frage zu beantworten. »Kennst du jemanden mit dem Namen Hector?« »Ja, er kommt jede Nacht.«

Alper Canigüz macht sich mit scharfsinnigem Witz und Ironie nicht nur über die Glaubenssätze der Psychoanalyse lustig, sondern begibt sich mit diesem Buch außerdem tänzelnd und leichtfüßig auf das Gebiet der Erkenntnisphilosophie. Alper Canigüz gelingt es meisterhaft, die Geschichten seiner beiden ungleichen Paare sehr lebensecht und authentisch zu erzählen. Hier treffen zwei Realitäten aufeinander, die nicht nur parallel nebeneinander her existieren, sondern sich gegenseitig beeinflussen. Denn Şevkets Träume sind nichts anderes als Reisen in eine andere Realität.

Psycho-Absurd? Ja, Herr Canigüz, besser kann man es in aller Kürze nicht umschreiben. Aber wo ist die Romantik, die Liebesgeschichte? Ach ja, da haben wir es: Da ist die schräge Nalan, die pseudo-Geliebte Hamits. Aber soll das alles sein? Das nennen sie ECHTE Romantik? Etwas mehr als diese kurze Episode wäre doch schön gewesen. Ach, ich solle mich gedulden, sagen Sie, Herr Canigüz? Es gäbe noch mehr Überraschungen? Was? Wer ist nun wieder Panş? Weiterlesen empfehlen Sie, Her Canigüz?

»Sobald Sie jemanden in Ihre Träume hineinnehmen, spürt diese Person, wenn auch unbewusst, das in den Tiefen ihrer Seele sofort und beginnt gemeinsam mit Ihnen an dem Traum zu spinnen« … Der Professor erzitterte bei dem Gedanken, dass alle Frauen, die er in seinen Träumen für seine perversen Fantasien benutzt hatte, darüber im Bilde waren …

Ja, und da kann man nach der Lektüre dieses Buches nur zustimmen! Weiterlesen absolut empfohlen. Denn Canigüz glückt sein Debüt meisterhaft! Intelligent erzählt, kurzweilig, PSYCHO-ABSURD-ROMANTISCH.

Ach so, und noch ein Tipp vor dem Einschlafen: Gebt Acht auf eure Träume, denn sie könnten realer sein als ihr es für möglich haltet!


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